Was macht der Klimawandel mit dem menschlichen Körper: Pathophysiologie der Hitze

Nach dem sehr inspirierenden APOKongress in Pörtschach mit Schwerpunkt Klima & Gesundheit wurde ich von der Redaktion gebeten meinen Vortrag hier kurz zusammen zu fassen. Ich verstehe mich dabei wie schon in Pörtschach gesagt als Täter, Opfer und Akteur und so darf dieser Artikel auch verstanden werden.

Ich denke nicht, dass das Ehepaar Meadows1 Anfang der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts, als sie die Modellierungen für zukünftige Entwicklungen erschufen, auch an die Auswirkungen auf das menschliche Wohlbefinden dachten. Heute jagt ein Temperaturrekord den nächsten und Extremwetter Jahrhundertereignisse passieren im zwei bis fünf Jahresrhythmus. In Europa war wahrscheinlich der erste größere Weckruf die Hitzewelle 2003 durch das Hoch Michaela, mit ca. 70000 zusätzlichen Todesopfern und einem finanziellen Schaden von ca. 13Mrd. USD, das vor allem in Frankreich wütete. Es war dies das wahrscheinlich schlimmste Unwetter Ereignis in der europäischen Geschichte und eines der weltweit opferreichsten der letzten 40 Jahre.

Dass es sich hierbei nicht um künftige Entwicklungen handelt, sondern bereits jetzt Mortalität und Morbidität in allen Teilen der Welt im Rahmen von zunehmenden Hitzewellen steigen, ist in mehreren, teilweise sehr umfangreichen Studien belegt23. Dass wir in Österreich ebenfalls davon betroffen sind zeigen sowohl EU-Daten4 als auch Zahlen der Geosphere Austria & GÖG567

Grundmechanismus ist der wissenschaftlich inzwischen unbestritten belegte weltweite Temperaturanstieg durch die von Menschen verursachte Emission von Treibhausgasen (CO2, CH4, u.a.), vor allem durch die Verbrennung von den fossilen Brennstoffen (Kohle, Erdöl, Erdgas)8.

Die Physik bietet uns dafür sehr gut beschriebene und fundierte Erklärungsmodelle, die sowohl den Mechanismus der Erderhitzung, als auch die Problematik der Wärmeregulation bei hohen Temperaturen, die bei Gleichwarmen (homoiothermen) Lebewesen gelten. Evolutionstechnisch haben wir uns zuletzt vor allem in Kaltzeiten entwickelt, sind daran auch aus verschiedenen Gründen besser angepasst9. Für die Hitzeadaptation besteht unser Hauptmechanismus jedoch in der Funktion des Schwitzens. Dazu muss die überschüssige Temperatur erst durch das Blut an die Körperoberfläche gebracht werden, und dann über den Mechanismus der „Verdunstungskälte“ an die Umgebung abgegeben werden10. Eine weitere gewisse Rolle spielt auch das Prinzip der Konvektion und eine nur geringe Rolle der Mechanismus der Strahlung. Die ist aber ausschließlich nur so lange möglich, als ein gewisses Temperaturgefälle zwischen Umgebung und Körperoberfläche besteht. Am Besten lässt sich dies mit der Kühlgrenztemperatur (wet bulb, Feuchtkugeltemperatur) beschreiben, da die Fähigkeit Schweiß zu verdunsten aus der Kombination von Temperatur und Luftfeuchtigkeit abhängt. Als Faustregel muss ein Unterschied der Kühlgrenztemperatur von der Körperkerntemperatur von zumindest 2-3°C bestehen um eine Abkühlung überhaupt zu ermöglichen. Körperliche Aktivität11 oder auch Vulnerabilitäten1213 (Alter, Sozial, Erkrankungen, etc.) erhöhen diese notwendige Temperaturdifferenz.

Die Mechanismen zur Gewebeschädigung sind bei Auslastung des Systems mehrfache. Da die Blutmenge beschränkt ist, wird z.B. der Splanchnikusbereich nur noch reduziert durchblutet. Es ist dies ein ähnlicher Mechanismus, den man gelegentlich bei Langstrecken- Ausdauerathleten beobachtet. Dabei kommt es zu Permeabilitätsstörungen des Intestinuums und zum Eindringen von Toxinen und Keimen. Dies aktiviert das unspezifische und spezifische Immunsystem. Es entsteht ein servere inflammatory distress syndrome (SIDS). Werden die Fähigkeiten zur Kühlung überschritten, schädigt dies auch das Endothel mit weiterer Aktivierung der Gerinnung, die bereits schon über das Immunsystem aktiviert wurde. Die Folge ist die Bildung von Thromben bis hin zur Ausbildung einer disseminierten intravasalen Gerinnungsstörung (DIC). Zusammengefasst wird das Vollbild dieses Krankheitsbilds als Hitzeschlag bezeichnet, der einen absoluten Notfall darstellt und oftmals intensivmedizinische Betreuung erfordert. Weiters sind auf Grund dieser Vorgänge auch vermehrte Herzinfakte, Schlaganfälle, Nierenversagen, Stoffwechselentgleisung und auch schwere psychische Veränderungen bis hin zur Gewalttätigkeit zu erklären.

Zusammengefasst handelt es sich um ein deutlich steigendes Problem, das nur sehr begrenzt durch Anpassung abgemildert werden kann, da es zeitgeich durch weitere Emissionen von Treibausgasen immer weiter verschärft wird. Es wird sogar Gegenden auf dieser Welt geben, die defacto nicht mehr bewohnbar sein werden, wenn die Emissionen so weiter steigen, wie bisher. In diesen betroffenen Gebieten leben derzeit ca. 2-3Mrd. Menschen14

Maßnahmen umfassen deswegen zwei Hauptbereiche:

1; Resilienzverbesserung mit Notfallschulungen (Hitzeschlag), Hitzeschutzplänen,

2; Mitigationsmaßnahmen- Transformation des menschlichen Lebens, weg von einer Konsum- und Verbrauchsgesellschaft unter Verwendung fossiler Brennstoffe, hin zu einem Leben innerhalb planetarer Grenzen15.

Dafür gibt es derzeit weder einheitlichenoch generell akzeptierte Konzepte. Diese müssen allerdings innerhalb der nächsten Jahre dringend entwickelt werden, um ein Überleben unserer gesellschaftlichen Systeme, insbesondere der Freiheit und Demokratie, die wir uns in Europa bitter erkämpft haben, zu ermöglichen. Eine der Optionen ist unseren ökologischen Handabdruck zu Nutzen. Wir als Gesundheitsberufe genießen immer noch einen sehr guten Ruf in der Bevölkerung, man vertraut uns. Auch der Begriff der Prävention ist uns zumindest theoretisch nicht fremd. Darüber sind viele der notwendigen Maßnahmen im Sinne eines Mehrfachnutzens zu sehen. Dazu gehören die planatery health diet und die aktive Mobilität. Entsprechendes Engagement, beruflich und politisch, auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene sind deutlich wirksamer, als mit dem Finger auf andere zu zeigen. Damit sind wir nicht nur Teil des Problems, sondern auch Teil der Lösung. Es ist noch nicht zu spät, aber die Zeit drängt.

1https://www.library.dartmouth.edu/digital/digital-collections/limits-growth

2https://www.ahajournals.org/doi/10.1161/CIRCULATIONAHA.122.061832

3https://doi.org/10.1038/s41591-023-02419-z

4https://joint-research-centre.ec.europa.eu/peseta-projects/jrc-peseta-iv/human-mortality-extreme-heat-and-cold_en

5https://www.uninetz.at/optionenbericht_downloads/SDG_13_Option_13_02.pdf

6https://www.klimawandelanpassung.at/newsletter/nl25/kwa-gesamtstaatl-hitzeschutzplan

7https://klimadashboard.at/auswirkungen/temperatur

8https://www.ipcc.ch/report/ar6/syr/downloads/report/IPCC_AR6_SYR_SPM.pdf

9https://www.nature.com/articles/s41467-021-24290-7

10http://physiologie.cc/V.8.htm

11https://arielschecklist.com/wbgt-chart/

12https://doi.org/10.1007/s00063-023-01072-1

13https://doi.org/10.1007/s11560-023-00659-1

14https://x.com/IPCC_CH/status/1680878128397164545/photo/1

15https://www.stockholmresilience.org/research/planetary-boundaries.html